Johann Wempe
Johann Wempe wurde in der Silvesternacht 1906 in Bremen geboren und wollte ursprünglich Schullehrer werden. Bremen als Hansestadt war ein zentraler Punkt der Schifffahrt. Die Navigation griff zur damaligen Zeit oftmals auf astronomisches Wissen zurück. So kam es, dass Wempe schon bald sein Interesse an der Astronomie entdeckte. Tatsächlich nahm er während seiner ersten Schuljahre an Abendkursen für außerschulische Studien teil und benutzte auch die alten Instrumente des berühmten Bremer Arztes und Astronomen W. Olbers.
Nach sieben Jahren des Studiums der Mathematik, Physik und Astronomie in Göttingen promovierte Wempe 1932 mit einer Arbeit über "Beiträge zur photographischen Spektralphotometrie" bei Prof. Kienle. 1936 wurde er wissenschaftlicher Assistent an der Landessternwarte Heidelberg, wo er an Bedeckungsveränderlichen und Asteroiden arbeitete, von denen einer nach ihm benannt ist.
Aufgrund der politischen Stimmung in Heidelberg beschloss Wempe 1938 nach Jena zu ziehen. Da er gebrechlich und nicht sehr gesund war, musste er während des Zweiten Weltkriegs nicht an die Front gehen. Stattdessen arbeitete er an der "Wellenlängenabhängigkeit der atmosphärischen Extinktion", dem Thema seiner 1944 in Jena verfassten Habilitationsschrift (veröffentlicht in Astr. Nachrichten 275, 1, 1947). Im selben Jahr wechselte er nach Potsdam und arbeitete mit seinem ehemaligen Doktorvater Kienle zusammen, der Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam auf dem Telegrafenberg geworden war. Ihr gemeinsames Ziel war der schnelle Wiederaufbau der Sternwarte (vor allem die Reparatur der im Krieg beschädigten Instrumente). 1946 wurde er zum "Beobachter" ernannt, 1947 zum "Dozenten". In dieser Zeit war Wempe auch Vorsitzender der Arbeitergewerkschaft, vielleicht ein Vorläufer der in seinem Testament geäußerten Bitte, das von ihm hinterlassene Geld zur "Verbesserung der Lebensverhältnisse der Leute in der Sternwarte" zu verwenden.
Nach Kriegsende wurde er 1948 als Professor an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen, 1958 erhielt er den Lehrstuhl, den er bis zu seiner Emeritierung 1971 innehatte. Er war 22 Jahre lang Herausgeber der Astronomischen Nachrichten und beschäftigte sich nach seiner Emeritierung mit der Geschichte der Astronomie in Potsdam.
Zwei Jahre nach dem Tod von Prof. Grotrian (1954) übernahm Wempe die Leitung des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam (AOP). Gleichzeitig war er auch nebenamtlicher Direktor der Sternwarte Babelsberg. Er verglich seine Position mit der eines "Dirigenten eines Orchesters". Unter seiner Leitung wurde 1967 das AOP mit der Sternwarte Sonneberg zum "Institut für Sternphysik" vereinigt. Als 1969 das Zentralinstitut für Astrophysik gegründet wurde, übernahm Wempe die Leitung eines der wissenschaftlichen Zweige. Er war auch maßgeblich an der Konzeption und Realisierung des 2m-Schmidt-Teleskopspiegels in Tautenburg beteiligt, der 1960 installiert wurde. Wempe entwickelte die Idee und den Einsatz des Objektivprismas und zeigte damit sein Verständnis nicht nur für die klassische Astronomie (und Himmelsmechanik etc.), sondern auch für die Spektroskopie. Wissenschaftlich ist er wohl am bekanntesten für seine Arbeit über die "absolute Kalibirierung der Intensitätsverteilung eines AO-Sterns", die 1940 veröffentlicht wurde (Kienle et al.).
Nachdem er Direktor des AOP geworden war, publizierte Wempe nicht mehr viel. Dennoch leistete er immer wieder Überstunden und war auf das Wohl der Mitarbeitenden der Sternwarte bedacht. Er sorgte auch dafür, dass es jedes Jahr eine Weihnachtsfeier des AOP gab. In seinen Jahren als Direktor war es sein großes Ziel, die instrumentelle Ausstattung des AOP zu modernisieren, um den jungen Astronominnen und Astronomen die bestmöglichen Arbeitsbedingungen in der Astrophysik zu bieten.
Wempe war nie verheiratet und seine Schwester führte seinen Haushalt. Er liebte Gartenarbeit (besonders Sonnenblumen) und Musik (er war Mitglied der Händel-Gesellschaft) und war als sehr bescheidener Mann bekannt. Er soll sowohl als Lehrer als auch als Redakteur sehr kritisch und anspruchsvoll gewesen sein, war aber auch dafür bekannt, dass er trotz seiner nordischen Zurückhaltung einen guten Sinn für Humor hatte.
Wempe starb am 29. Mai 1980 im Alter von 73 Jahren.
(Zusammengestellt und übersetzt aus verschiedenen Nachrufen von Hans Zinnecker)