Außergewöhnliche Wege in die Astrophysik
Aus der Industrie in die Wissenschaft - Interview mit Robert Kamlah
Nicht jeder Karriereweg in die Astrophysik verläuft gleich. Manch einer macht noch einen Umweg über eine andere Profession. Einer von diesen Menschen ist Robert Kamlah. Zurzeit ist er angehender Astrophysiker im Promotionsstudium am AIP. Doch bevor er den Weg in die Wissenschaft einschlug, machte er eine handwerkliche Ausbildung und arbeitete einige Jahre in der Industrie. Wie er aus der Industrie in die Wissenschaft gekommen ist, erzählt er uns im Interview.
Was hast du vor deinem Studium/früher gemacht?
Da ich den Drang hatte, endlich Geld zu verdienen, habe ich in meiner Heimat in Mecklenburg-Vorpommern mit 16 den Realschulabschluss gemacht und im Anschluss in Hamburg eine Ausbildung als Zerspanungsmechaniker begonnen und abgeschlossen. In dem Beruf habe ich jedoch nur ein knappes halbes Jahr gearbeitet, da ich den spontanen Entschluss fasste, nach Berlin zu gehen. Dort fand ich auf die Schnelle nur einen Job als Maschinenbediener über eine Zeitarbeitsfirma. Die hat mich letztendlich an eine Papierfirma verliehen, in der z.B. Papier für Zigaretten und Schokoladenverpackungen hergestellt wurde.
Wann kam der Wunsch in dir auf den Beruf zu wechseln?
Ich merkte relativ schnell, dass der Job als Maschinenbediener nicht so aufregend und fordernd war wie der des Zerspanungsmechanikers. Eine Stelle als Zerspannungsmechaniker zu finden war jedoch auch nicht so einfach. Als ich auf meine Bewerbung als Schichtleiter in dem Papierwerk eine Ablehnung bekam, stellte ich mir die Frage, ob ich das überhaupt für den Rest meines Lebens machen möchte, da man in dem Job gar keine Aufstiegschancen hat. Ich entschied mich kurzerhand dagegen und begann meine Recherche nach neuen Perspektiven.
Wie bist du auf den Beruf des Astrophysikers gekommen?
Während meiner Arbeit als Maschinenbediener musste man im Endeffekt nur aufpassen und neben der Maschine stehen, was schnell langweilig wurde. Das jedoch kam mir wiederum zugute, da ich neben der Arbeit und in meiner Freizeit damit anfing mich mehr und mehr mit Physik auseinanderzusetzen. Ich las unter anderem Stephen Hawkings Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“, welches mein Interesse an Astrophysik endgültig erweckte.
Wie ging es nach deiner Entscheidung einen Neuanfang zu wagen weiter?
Eine gute Freundin empfahl mir ein Studium zu machen. Eine Idee auf die ich selbst nie gekommen wäre. Auf meiner Suche nach Hochschulen, an denen man auch ohne Abitur bzw. Fachabitur studieren kann, fand ich in ganz Deutschland nur zwei. Eine davon war die Technische Hochschule Brandenburg, für die ich mich letztendlich entschied. Die Voraussetzungen waren eine abgeschlossene Ausbildung in einem technischen Beruf plus fünf Jahre Berufserfahrung. Ich wurde für den Bachelorstudiengang „Optische Technologien und Mikrosystemtechnik“ angenommen. Nach dem Bachelor habe ich einen Kooperationsmaster für Photonik an der TH Brandenburg und TH Wildau gemacht. Die TH Wildau hatte zusätzlich noch eine Kooperationsmöglichkeit mit der Tor Vergata Universität in Rom mit Aussicht auf einen Doppelabschluss. Diese Möglichkeit habe ich ebenfalls wahrgenommen und dadurch einen Master of Engineering in Photonik und einen Master of Science in Material Science erlangt. Jetzt gerade stecke ich noch in meinem Promotionsstudium für Astrophysik an der Universität Potsdam, welches ich voraussichtlich nächstes Jahr im Februar beende.
Wie war der Umstieg von der Berufswelt ins Studium?
Zu Beginn meines Studiums lag meine Schulzeit bereits zehn Jahre zurück. Ich musste mich erst wieder an das Lernen gewöhnen und viel Zeit und Arbeit in das Studium stecken. Dadurch habe ich anfangs teilweise 14-15h täglich in mein Studium investiert und bis zur völligen Erschöpfung gelernt. Ich hatte jedoch fantastische Professoren und Kommilitonen, die immer ein offenes Ohr für mich hatten und mit denen ich mich über das Erlernte austauschen konnte. Das war mir eine Riesenhilfe und hat mich weitergebracht.
Was war die schwierigste Hürde, die du überwinden musstest?
Für mich gestaltete sich der Umstieg vom Arbeiten zum Studieren sehr schwierig. Ich hatte damals als Maschinenbediener in Berlin gutes Geld verdient und musste plötzlich auf Bafög umsteigen, was eine harte Umgewöhnung war. Dadurch hatte ich nur noch ca. ein Viertel bzw. ein Fünftel von dem, was ich davor hatte zur Verfügung.
Wie bist du zum AIP gekommen?
Eine gute Freundin erinnerte mich noch einmal daran, dass ich das Studium wegen der Astrophysik angefangen hatte und erzählte mir unter anderem von der Möglichkeit, seine wissenschaftliche Arbeit am AIP betreuen zu lassen. Sie war auch diejenige, die mich dazu ermunterte, mich beim AIP zu bewerben. Diesen Ratschlag habe ich mir zu Herzen genommen und umgesetzt. Professor Carsten Denker hat mir dann relativ schnell geantwortet und mir als Betreuer meiner Bachelorarbeit zugesagt. Meine Masterarbeit habe ich dann ebenfalls am AIP geschrieben. Während meines Masterstudiums habe ich von meiner aktuellen Supervisorin Dr. Meetu Verma das Angebot bekommen, auch meine Doktorarbeit hier am AIP schreiben zu dürfen. Das Angebot war natürlich viel zu gut, um es nicht anzunehmen. Seitdem bin ich am AIP als Doktorand angestellt.
Was ist das Thema deiner Doktorarbeit?
In meiner Doktorarbeit untersuche ich die Strukturen auf der Sonne, die durch starke Magnetfelder entstehen, wie z.B. Sonnenflecken oder Poren und wie das Auftauchen, die Evolution und der Zerfall sich davon auf Plasmaströmungen und Magnetfelder auswirkt. Dabei fokussiere ich mich auf die Sonnenoberfläche, die sogenannte Photosphäre und die Schicht darüber, die als Chromosphäre bezeichnet wird. Meinen Abschluss erlange ich voraussichtlich im Februar 2025.
Wieso hast du dir das Feld der Sonnenphysik ausgesucht?
Wenn man an Astrophysik denkt, denkt man natürlich erst einmal an Galaxien, Schwarze Löcher und alles, was da draußen ist und weniger an die Sonne. Ich habe aber bereits während meines Bachelors festgestellt, dass ich das Feld der Sonnenphysik extrem interessant finde.
Was machst du neben dem Schreiben deiner Doktorarbeit?
Ich bin häufig an Beobachtungen des Gregor Sonnenteleskops im Observatorium del Teide auf Teneriffa beteiligt. Da hatte ich erst kürzlich die Möglichkeit, bei zwei Instrumenten mitzuhelfen, die Prof. Carsten Denker entworfen hatte. Das eine heißt HiFi+, ein sechs-Kamerasystem am Gregor Teleskop und das andere Instrument heißt FaMuLUS und ist ein vier-Kamerasystem, welches wir gerade an den Spektrografen des VTT (Vakuum Tower Teleskop auf Teneriffa) anschließen. Des Weiteren bin ich auch ab und an als Beobachtungsassistent auf Teneriffa eingeteilt. Das bedeutet, dass ich ein- bis zweimal pro Jahr auf Teneriffa andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihren Beobachtungen unterstütze.
Welche ist deine Lieblingsaufgabe?
Was mich an mir selbst am meisten überrascht hat ist, dass ich viel Spaß am Programmieren habe. Das erste Mal bin ich mit Programmieren während meiner Lehre zum Zerspanungsmechaniker in Berührung gekommen. Da konnte ich z.B. die CNC-Maschinen programmieren, wobei natürlich eine ganz andere Programmiersprache zum Einsatz kam, als ich heute nutze. Aber auch die praktische Erfahrung an den Teleskopen bereitet mir viel Freude.
Was sind wichtige Voraussetzungen oder Eigenschaften um Astrophysikerin oder Astrophysiker zu werden?
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach Interesse. Wenn man wirklich starkes Interesse an einer Sache hat, dann steckt man genug Arbeit in diese, um seine Ziele zu erreichen.
Was würdest du anderen Interessierten für einen Ratschlag geben, die Astrophysikerin bzw. Astrophysiker werden wollen?
Einfach seinem Interesse folgen. Man stößt hier und da immer mal wieder auf Hindernisse, die einen zurückwerfen oder die einem das Gefühl geben, etwas nicht zu begreifen. Aber man sollte sich davon keinesfalls entmutigen lassen und immer am Ball bleiben. Wenn man wirklich nicht weiterkommt, sollte man die Aufgabe oder das Thema auch mal für ein paar Tage beiseitelegen und sich auf etwas anderes konzentrieren. Das kann in vielen Situationen helfen.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich würde mir eine geeignete Postdoc Stelle suchen. Ich habe wenig Interesse, wieder in der Industrie zu arbeiten. Da gefällt mir das wissenschaftliche Arbeiten viel besser. Und dann muss ich natürlich schauen, wo auf der Welt ich einen Job bekomme.
Wir bedanken uns bei Robert Kamlah für das Interview.