Einsteinturm
Übersicht
Der Einsteinturm – ein Labor für Spektralpolarimetrie – ist das erste bedeutende Bauwerk des bekannten Architekten Erich Mendelsohn. Er entstand in den Jahren 1919 bis 1924 in Zusammenarbeit mit dem Physiker Albert Einstein und dem Astronomen Erwin Finlay Freundlich.
Ob es sinnvoll ist, den Einsteinturm einem architektonischen Stil zuzuordnen, bleibt fraglich. Er wird oft als Vertreter des „architektonischen Expressionismus“ angeführt, dem widerspricht allerdings seine sehr harmonische Form und auch Mendelsohns eigene Einschätzung. Hier muss jede Person ihre eigene Antwort finden.
Ungewöhnlich sind auch die weiteren Umstände: Der Einsteinturm ist ein Zweckbau, ein Sonnenobservatorium, das bis zum Zweiten Weltkrieg auch wissenschaftlich das bedeutendste Sonnenteleskop in Europa war. Der Turm stellt also eine der sehr seltenen Verknüpfungen zwischen Wissenschaft und Kunst dar, weil es Mendelsohn gelang, sowohl die Anforderungen der Wissenschaft als auch seine eigenen Vorstellungen zur Formgebung zu erfüllen. Durch die Beschäftigung Mendelsohns mit Einsteins Arbeit wird auch etwas von der aufregenden Entwicklung der modernen Physik in den zwanziger Jahren in dem Gebäude eingefangen. Ziel des Observatoriums war ursprünglich der Nachweis der durch Einsteins Relativitätstheorie vorhergesagten Rotverschiebung von Spektrallinien im Schwerefeld der Sonne. Dieses Vorhaben erwies sich allerdings später als undurchführbar. Der Einsteinturm wurde 1997 bis 1999 mit Unterstützung der Wüstenrot Stiftung grundlegend renoviert. Von 2021 bis 2023 war eine erneute Sanierung notwendig, die ebenfalls durch die Wüstenrot Stiftung finanziert und realisiert wurde. Seit der Wiedereröffnung im September 2023 ist das Sonnenobservatorium Einsteinturm wieder voll funktionsfähig.
Auch heute noch befindet sich im Einsteinturm eine leistungsfähige Sonnenforschungsanlage, bestehend aus dem Turmteleskop mit 60 cm Öffnung und einem langbrennweitigen Spektrografen. Durch die modernisierte optische und mechanische Ausrüstung können etwa 400 Millionen Farben im Spektrum unterschieden werden. Bei guten Bedingungen wird eine Bildauflösung von 1″ erreicht. Dies entspricht auf der Sonne Strukturen von 700 km Größe. Eine 1€-Münze auf der Erde wäre theoretisch aus 5 km Entfernung noch erkennbar. Schwerpunkt der Beobachtungen sind spektralpolarimetrische Messungen in Sonnenfleckengruppen. Die Polarisationsanalyse des Lichts gestattet Rückschlüsse auf das Magnet- und Geschwindigkeitsfeld an der Oberfläche der Sonne. Die ständige Verfügbarkeit des Instruments mit seinem Labor spielt bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie für die Entwicklung und Tests neuer spektralpolarimetrischer Fokalinstrumente für den Einsatz an Großteleskopen eine bedeutende Rolle. Der Einsteinturm ist daher eine wichtige Ergänzung zu den großen Sonnenteleskopen auf Teneriffa.
Der Einsteinturm ist heute Teil des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP); das übrige Gelände auf dem Telegrafenberg wird zum größten Teil vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) genutzt.
Anlässlich seines 100. Geburtstag seit der Eröffnung 1924, sind auf der folgenden Seite einige Bilder aus der Geschichte des Einsteinturms und von heute zusammengetragen: 100 Jahre Einsteinturm.
Besuch
Der „Wissenschaftspark Albert Einstein“ ist tagsüber für Besuche geöffnet, Gäste müssen sich am Eingang anmelden. Eine Außenbesichtigung des Turmes ist jederzeit möglich und sehr empfehlenswert. Mehr zum Besuch des Turms auf der Seite Besuch des Einsteinturms.
Eine digital tour gibt jeder und jedem die Möglichkeit, den Turm jederzeit virtuell zu besuchen und seine Geschichte zu entdecken: "Einsteinturm Revisited" - https://einsteinturm.com/.
Historische Fotoplatten, die unter anderem im Einsteinturm entstanden sind, können Sie auf dieser Seite einsehen: https://public.aip.de/historical-sky/de/
Danksagung
Die Restaurierung des Einsteinturms 1997-99 und 2021-23 wurde durch die Unterstützung der Wüstenrot Stiftung möglich, die zusammen mit dem AIP die Baumaßnahmen und die Denkmalspflege leitete. Der Großteil der Kosten wurde von der Stiftung getragen, die die Wiederherstellung verschiedener Baudenkmäler fördert.