Eine Reise zum Anbeginn der Zeit

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Der metallarme Stern „Pristine_221.8781+9.7844“ und seine Umgebung.

Bild: N. Martin, DECALS survey, and Aladin
8. Oktober 2018 //

Im Rahmen des „Pristine Survey“ sucht und erforscht ein internationales Team die ältesten Sterne unseres Universums. Ziel ist es, mehr über das junge Universum direkt nach dem Urknall zu erfahren. In einer aktuellen Publikation berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun von der Entdeckung eines besonders metallarmen Sterns: ein Bote aus längst vergangenen Zeiten.

Für die Erforschung des frühen Universums stehen Astronominnen und Astronomen verschiedene Methoden zur Verfügung: Eine besteht darin, in die Tiefen des Universums und damit in der Zeit zurück zu blicken, um die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien zu beobachten. Eine andere Option ist die Untersuchung der ältesten überlebenden Sterne unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, nach Informationen aus dem frühen Universum. Die internationale Kooperation „Pristine Survey“ unter der Leitung von Dr. Else Starkenburg vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und Nicolas Martin von der Universität Straßburg sucht genau diese alten Sterne.

Das Team verwendet dazu einen speziellen Farbfilter am Kanada-Frankreich-Hawaii-Teleskop, um diese alten und damit metallarmen Sternen zu identifizieren. In ihrer jüngsten Veröffentlichung haben sie diese Technik genutzt, um einen der metallärmsten Sterne zu entdecken. Detaillierte Folgestudien mit Spektrographen der Isaac Newton Group in Spanien und der Europäischen Südsternwarte in Chile zeigten, dass der Stern in seiner Atmosphäre in der Tat sehr wenige schwere Elemente aufweist – und damit sehr alt sein muss. "Der Stern enthält weniger als ein Zehntausendstel des Metallgehalts der Sonne. Darüber hinaus sticht das detaillierte Muster der verschiedenen Elemente hervor, wie etwa eine geringe Menge Kalzium. Im Gegensatz zu den meisten metallarmen Sternen weist er einen relativ geringen Kohlenstoffgehalt auf. Damit ist der Stern der zweite bekannte seiner Art und ein wichtiger Botschafter des frühen Universums", sagt Else Starkenburg.

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Diese Abbildung zeigt das für den untersuchten Stern beobachtete Spektrum (in Schwarz), sowie ein modelliertes Spektrum für die Sonne (in Grau). Die Hauptmerkmale im Spektrum von Pristine 221.8781 +9,7844 sind Wasserstofflinien. Nur sehr wenige andere Elemente sind in dieses Spektrum eingeprägt, wie etwa eine geringe Menge an Kalzium. Im Sonnenspektrum sehen wir dagegen viele Linien. Dies zeigt, dass der Stern Pristine 221.8781 + 9.7844 extrem metallarm ist und in seiner Atmosphäre einen ungewöhnlichen Mangel an schwereren Elementen hat und damit wahrscheinlich zu einer frühen Generation von Sternen gehört, die in der Galaxis gebildet wurden.

Bild: Credit: AIP/E. Starkenburg

Diese ältesten Vertreter unter der überwältigenden Population jüngerer Sterne zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Kurz nach dem Urknall war das Universum mit Wasserstoff und Helium und etwas Lithium gefüllt. Es gab keine schwereren Elemente, da diese nur im heißen Inneren von Sternen erzeugt werden – welche noch nicht existierten. Unsere Sonne zeigt ungefähr zwei Prozent der schwereren Elemente in ihrer Atmosphäre, wie man am Spektrum ihres Lichts ablesen kann. Das lässt den Schluss zu, dass die Sonne als Teil einer späteren Generation von Sternen entstanden ist und in ihrer Atmosphäre die Produkte von Sternen "recycelt" hat, die lange vor ihr lebten und bereits ausgestorben sind.

Auf der Suche nach den ältesten Sternen fahnden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Sternen mit einer ursprünglicheren Atmosphäre als die unserer Sonne. Je metallärmer die Atmosphäre, desto früher die Generation, in der dieser Stern geboren wurde. Das Studium von Sternen verschiedener Generationen erlaubt es, die Geschichte der Galaxis zu verstehen – ein Forschungsgebiet, das deshalb auch Galaktische Archäologie genannt wird. Die Existenz einer Klasse metallarmer Sterne mit geringem Kohlenstoffgehalt legt nahe, dass es im frühen Universum mehrere Mechanismen gab, die zur Bildung langlebiger massearmer Sterne führten.

Weitere Informationen

Publikation

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (Oxford University Press)

https://doi.org/10.1093/mnras/sty2276

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 29. Juli 2021