Von Harfen, Weihnachtsbäumen, einem wandernden Stern und den mysteriösen Strömen kosmischer Strahlung

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Radio-Synchrotron-Harfe und Weihnachtsbaum im galaktischen Zentrum.
Links: Die Synchrotron-Strahlung der Teilchen zeichnen die Magnetfeldlinien in der Form von Harfensaiten nach und machen sie so sichtbar.
Rechts: Der Teilchen liefernde Stern bewegte sich von unten nach oben durch das Zentrum dieser Struktur und befindet sich jetzt an dessen Spitze. Die Teilchen strömen entlang der horizontalen Magnetfeldlinien nach links und rechts.

Bild: AIP/T. Thomas/MeerKat
19. Dezember 2019 //

Forscher am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik Garching (MPA) haben galaktische Radioobjekte untersucht, die Formen wie Weihnachtsbäume und Harfen annehmen. Mit Hilfe dieser Objekte konnte die alte Frage beantwortet werden, wie genau sich kosmische Strahlung ausbreitet.

Die inneren Regionen unserer Galaxie, der Milchstraße, zeichnen sich durch große Mengen an warmem Gas, kosmischer Strahlung und erhöhte Radioemission aus. "Radioastronomen beobachten schon seit Jahren flächige Strukturen im galaktischen Zentrum. Neuere Beobachtungen mit dem MeerKAT Teleskop in Südafrika zeigen, dass diese in Gruppen von fast parallelen Filamenten angeordnet sind, die sich über mehrere Lichtjahre erstrecken", berichtet der führende Autor der Studie, Timon Thomas vom AIP. "Die Filamente sind scheinbar ihrer Länge nach sortiert, so dass sie wie die Saiten einer Harfe aussehen." Forscher aus Potsdam und Garching nannten diese Objekte daher Radio-Synchrotron-Harfen. Synchrotron ist die Bezeichnung des Mechanismus, der Radiostrahlung durch Beschleunigung von geladenen Teilchen wie Elektronen in Magnetfeldern erzeugt.

"Die beobachteten Strukturen entstehen, wenn massereiche Sterne oder Pulsare geordnete Magnetfeldstrukturen durchfliegen und dabei entlang ihrer Bahn kosmische Strahlungsteilchen in diese Magnetfelder entladen," erklärt Prof. Dr. Christoph Pfrommer vom AIP. "Die Teilchen breiten sich entlang der Magnetfeldlinien aus, meist quer zur Sternenbahn, lassen die Magnetfelder im Radiobereich aufleuchten und wie die Saiten einer Harfe erscheinen."

Der genaue Transportprozess der Teilchen war bisher ein Mysterium. Die Forscher gehen nun davon aus, dass die einzelnen Saiten die chronologische Abfolge zeigen, in der die Teilchen sich vom Ort ihrer Freisetzung entlang der Magnetfeldlinien ausbreiteten. Wäre diese Ausbreitung ein Diffusionsprozess, also eine ungerichtete Eigenbewegung der einzelnen Teilchen, sollten die Objekte abgerundete Glockenformen aufweisen, was sie aber nicht tun. Durch die Vermessung einer der Harfen sowie detaillierte Modellrechnungen konnten die Astrophysiker nun zeigen, dass die Teilchen stattdessen wie in einem Fluss gemeinsam strömen. Damit ist die Strömung der wichtigste Transportprozess der kosmischen Strahlung. "Hierbei 'zupfen' die Teilchen quasi an den Saiten und regen dabei die Magnetfelder zu Schwingungen an, welche wiederum die Teilchen zu einem strömenden Fluid zusammenhalten," erläutert Torsten Enßlin vom MPA, der Initiator der Studie.

Mit dieser erhellenden Advents-Erkenntnis ist das jahrzehntealte Rätsel um den Transport der Teilchen kosmischer Strahlung geklärt. Hauptsächlich strömen die Teilchen, entgegen der bisherigen Annahme, die voranging von Diffusion ausging.

Weitere Informationen

Mitteilung des MPA

https://www.mpa-garching.mpg.de/786518/news20191219

Originalveröffentlichungen

Timon Thomas, Christoph Pfrommer und Torsten Enßlin: Probing Cosmic Ray Transport with Radio Synchrotron Harps in the Galactic Center.

Heywood, I., Camilo, F., Cotton, W. D., et al. (2019): Inflation of 430-parsec bipolar radio bubbles in the Galactic Centre by an energetic event. Nature, 573, 235

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 29. März 2021