Mit künstlicher Intelligenz zum Ursprung des Universums
Dem Astrophysiker Francisco Kitaura vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) ist es gelungen, den kosmischen Ursprung für die Verteilung von Galaxien auf großen Skalen schärfer denn je einzugrenzen. Kitauras Methode könnte sich als bahnbrechend für die Erforschung der Entwicklung des Universums auf großen Skalen und das Verständnis der Galaxienverteilung im Raum erweisen.
Um die Entwicklung des Universums nachzuvollziehen, durchmustern Großteleskope regelmäßig und kontinuierlich den Nachthimmel. Was sie finden, sind Abertausende von Galaxien, die sich in bestimmte Strukturen anordnen und das sogenannte kosmische Netz bilden. Astronomen gehen jedoch davon aus, dass die leuchtenden Objekte, die sie im Nachthimmel beobachten, nur ein Fünftel der Materie im Universum ausmachen. Der größte Teil der Materie strahlt nicht und wird daher als Dunkle Materie bezeichnet. Zusätzlich gibt es eine dominierende Dunkle-Energie-Komponente, – etwa 70 Prozent der gesamten Energie im Universum - die für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich ist. Dieses Modell nennen Astrophysiker das LCDM-Modell und versuchen es immer aufs Neue zu überprüfen, da weder die Dunkle Materie noch die Dunkle Energie direkt beobachtet worden sind.
Die Messung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die durch den Urknall ausgelöst wurde, ermöglicht den Astronomen die Bewegung der Lokalen Gruppe von Galaxien - zu der unsere Galaxie gehört - zu messen. Astrophysiker versuchen, die Bewegung der Lokalen Gruppe durch die Anziehungskraft der umliegenden Dunklen Materie zu erklären, können dabei allerdings nur auf ihre Beobachtungen der sichtbaren Galaxienverteilung zurückgreifen.
Die grundlegende Schwierigkeit dieses Projekts schildert der Potsdamer Wissenschaftler wie folgt: „Aufschluss über die Verteilung der Dunklen Materie und deren Dynamik anhand der Galaxienverteilung zu gewinnen gleicht dem Versuch, aus der Satellitenaufnahme der Erde bei Nacht, auf der man allein die Lichter der stark besiedelten Regionen sieht, ein geographisch genaues Abbild unseres Planeten zu formen. Und das nicht nur zum heutigen Zeitpunkt sondern auch zu einem vergangenen, als die Kontinente noch zusammenhingen, um gleichzeitig die Kontinentalverschiebung zu bestimmen.“
Kitaura entwickelte einen Algorithmus der sich künstliche Intelligenz zu Nutzen macht. Die Methode spielt iterativ generierte Anfangsfluktuationen und die daraus resultierende Strukturentstehung in einem selbstlernenden Prozess durch. Die Ergebnisse werden dann mit der tatsächlichen Galaxienverteilung im Universum abgeglichen. So können durch das Verfahren auch die Bewegungsrichtung und Geschwindigkeitsfelder von Galaxien bestimmt werden.
„Unsere genauen Rechnungen zeigen, dass die Bewegungsrichtung und 80 Prozent des Geschwindigkeitsbetrags der Lokalen Gruppe durch die Materieverteilung innerhalb eines Radius von etwa 370 Millionen Lichtjahren in Übereinstimmung mit dem LCDM Modell erklärt werden können.“ sagt Kitaura, der die Studie geleitet hat. „Um die restlichen 20 Prozent zu erklären, müssen wir noch berücksichtigen, dass die Dynamik theoretisch von kosmischen Strukturen aus etwa 460 Millionen Lichtjahren Entfernung beeinflusst werden kann. Die Zeit, die man bräuchte, um diese Distanzen in Lichtgeschwindigkeit zu überbrücken, entspricht der Zeit, die seit der Ära der Dinosaurier bis ins Jahr 2012 vergangen ist – allerdings mehr als zweimal.“
Kitauras Verfahren ist die erste in sich konsistente Methode einer parallelen Rekonstruktion der Anfangsdichtefluktuationen des heutigen kosmischen Netzes und der Geschwindigkeitsfelder, die kompatibel mit der dreidimensionalen Verteilung der Galaxien in unserem lokalen Universum ist. Die Methode findet bereits jetzt innerhalb eines internationalen Teams weitere Anwendung, um mit bisher unerreichter Genauigkeit die Entwicklung des lokalen Universums auf Supercomputern zu simulieren und somit Rückschlüsse auf die Entstehung unserer Umgebung und unserer eigenen Galaxie zu ziehen.
Francisco Kitaura forscht seit Juli 2011 als Karl-Schwarzschild-Fellow am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam. Seine Forschungsinteressen umfassen die Strukturentstehung im Universum und deren statistische Charakterisierung. Die Publikation ist online auf http://arxiv.org/abs/1205.5560 veröffentlicht und erscheint in Kürze in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (MNRAS).
Weitere Informationen
Originalveröffentlichung
Francisco-Shu Kitaura, Pirin Erdoğdu, Sebastián E. Nuza, Arman Khalatyan, Raul E. Angulo, Yehuda Hoffman, Stefan Gottlöber. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters, Volume 427, Issue 1, November 2012, Pages L35–L39.