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last change 2004 August 13, R. Arlt
Festkolloquium


80 Jahre Einsteinturm -
50. Todestag von Walter Grotrian
soelogo


Am 8. September 2004 wird ein Festkolloquium des AIP dem Jubiläum "80 Jahre Einsteinturm" und dem 50. Todestag eines der bedeutendsten Potsdamer Physiker und Astrophysiker, Walter Grotrian, gewidmet sein. Diese Veranstaltung kann als würdiger Auftakt zu den Feierlichkeiten "100 Jahre Relativität, Atome und Quanten" im Jahr 2005 angesehen werden.

Das Jahr 2004 ist bestimmt durch eine Serie von Jubiläen, Geburtstagen und Ereignissen, die streiflichtartig die Geschichte der Potsdamer Astrophysik und besonders der Sonnenforschung beleuchten:

  • 03.03.: 50. Todestag von Walter Grotrian,
  • 14.03.: 125. Geburtstag von Albert Einstein,
  • 30.06.: 50 Jahre solare Radiomessung in Tremsdorf,
  • 24.07.: 40. Todestag von Erwin Finley Freundlich, Gründer des Einsteinturms,
  • 01.07.: 130 Jahre Astrophysikalisches Observatorium Potsdam,
  • 26.08.: 105 Jahre Großer Refraktor,
  • 06.12.: 80 Jahre Einsteinturm,
  • 16.12.: 90. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Jäger, langjähriger Leiter des Einsteinturms.

Grotrians Schüler Wolfgang Mattig, der als junger Wissenschaftler Mitarbeiter am Einsteinturm und später langjähriger stellvertreternder Direktor des Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg war, schrieb 1993: "Die Sonnenphysik in Deutschland begann mit der Gründung des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam 1874. Der 1924 fertiggestellte Einsteinturm legt noch heute Zeugnis dafür ab." Ein weiterer Beitrag von W. Mattig (1999) würdigte Grotrians Leistungen für die Astrophysik.


Der Einsteinturm auf dem Telegrafenberg hat sich neben den Schlössern und Gärten des Parkes Sanssouci zu einem der stärksten Magneten für die Potsdam-Besucher aus aller Welt entwickelt: Das berühmte Bauwerk Erich Mendelsohns gilt als bedeutendste architektonische Leistung des deutschen Expressionismus, und seine Abbildung fehlt in keiner Publikation, die sich mit der Kunst und Architektur der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts beschäftigt.
Mendelsohn hat mit der Erfüllung seines Auftrages, einen Zweckbau für ein wissenschaftliches Instrument zu errichten, zugleich ein Monument der modernen Wissenschaft geschaffen.
Der Einsteinturm bildet die Schutzhülle um eine damals, vor 70 Jahren, einzigartige Forschungsanlage für die Sonnenphysik. Erwin Finlay-Freundlich, Astronom und Mitarbeiter Albert Einsteins, hatte das Instrumentarium konzipiert und damit das erste Turmteleskop Europas mit einem der größten Spektrographen seiner Zeit geschaffen. Am 6. Dezember 1924 wurde die Sonnenforschungsanlage des Einsteinturmes in einer von Albert Einstein geleiteten Sitzung des Kuratoriums des "Einstein-Instituts" offiziell in Betrieb genommen.
Die primäre wissenschaftliche Aufgabenstellung bestand im Nachweis der Gravitationsrotverschiebung, einer winzigen, von Einstein vorhergesagten Verschiebung von Spektrallinien im Schwerefeld der Sonne, die als Beweis für die Richtigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie dienen sollte. Die Initiative Freundlichs und die Unterstützung durch den damals bereits weltberühmten Einstein sicherten in der ökonomisch schwierigen Situation (Nachkriegszeit und beginnende Inflation!) die finanzielle Basis für das anspruchsvolle Vorhaben, und zwar je zur Hälfte aus Mitteln des preußischen Staates und einer Albert-Einstein-Stiftung der deutschen Industrie.
In den 20er Jahren war der Einsteinturm das erste Turmteleskop in Europa; Teleskop und Spektrograph gehörten lange zu den größten derartigen Instrumenten auf der Welt. Seit Beginn der 40er Jahre wurden hier von H. von Klüber erstmalig in Europa kosmische Magnetfelder gemessen, und zwar in Sonnenflecken. Die Messmethode wurde später von W. Grotrian und anderen Potsdamer Mitarbeitern weiter verbessert. Selbst heute noch ist der Einsteinturm eines der größten, weiterhin für Messungen genutzten Sonnenteleskope in Europa; dabei haben wir von den großen modernen Sonnenteleskopen auf den Kanarischen Inseln abgesehen, an denen die Potsdamer Sonnenphysiker heute die meisten ihrer Präzisionsmessungen durchführen.











Das berühmte "Sofabild" der Berliner Physiker-Elite, darunter fünf Nobelpreisträger im Jahr 1921. Der junge Mann links hinter Albert Einstein ist Walter Grotrian.













Walter Grotrian wurde im Jahre 1922 im Alter von 32 Jahren nach Potsdam an das Einstein-Institut berufen. Zu dieser Zeit galt er bereits als einer der führenden Spektroskopiker seiner Zeit. In seiner 1928 erstmals erschienenen Monographie "Graphische Darstellung der Spektren von Atomen und Molekülen mit 1, 2 und 3 Valenzelektronen" führte er die heute übliche Darstellung der Termschemata für die Energieniveaus von Atomen ein. Das Buch wurde zum Standardwerk und trägt in neueren Auflagen den Titel "Grotrian Diagrams".

1929 nahm Grotrian an einer von Freundlich geleiteten Sonnenfinsternis-Expedition nach Sumatra teil, um mit einer eigenen Apparatur das damals noch völlig unverstandene Spektrum der Sonnenkorona zu messen. Im folgenden Jahrzehnt gelang es Grotrian dann in einer Serie von Arbeiten, durch sorgfältige Analyse der eigenen und anderer Daten die einzelnen Komponenten des Koronaspektrums zu identifizieren und physikalisch richtig zu deuten. Alle Erklärungen führten zu dem eindeutigen Schluß, daß in der Korona Temperaturen von über einer Million Grad vorherrschen müssen. Grotrian wurde zum Begründer der Physik der Korona, die heute auch durch Messungen in anderen Wellenlängenbereichen erforscht werden kann, z.B. durch Beobachtungen im Radiogebiet, wie sie seit 1964 von der zweiten Potsdamer Sonnenstation aus vorgenommen werden --- dem Observatorium für solare Radioastronomie bei Tremsdorf, südlich von Potsdam.





Termschema des Natrium-Atoms;
in Lehrbüchern werden derartige Diagramme jetzt Weltweit als "Grotrian-Diagramme" bezeichnet.











Walter Grotrian war seit 1927 Professor für Astrophysik an der Berliner Humboldt-Universität, 1928 wurde er Mitherausgeber der "Zeitschrift für Astrophysik" und 1951 Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam. Die Stadt Potsdam hat zu Ehren Walter Grotrians eine Straße nach ihm benannt.

Das Festkolloquium wird von 10-13 Uhr im Haus H auf dem Telegrafenberg stattfinden und über die Fachkollegen hinaus die interessierte Öffentlichkeit, insbesondere Physik- und Astronomielehrer, ansprechen. Als Festredner wird Prof. W. Mattig, einer der letzten noch lebenden Schüler und Mitarbeiter Walter Grotrians, sprechen. In einem weiteren Beitrag wird Herr Michael Scholz, der sich intensiv mit historischen Studien zum Einsteinturm beschäftigt hat, erstmalig historisches Filmmaterial über die Potsdamer Sonnernfinsternis-Expedition 1929 nach Sumatra zeigen. Dr. Axel Hofmann wird die Geschichte der Potsdamer Messungen solarer Magnetfelder von ihren Anfängen vor 6 Jahrzehnten am Einsteinturm bis zur Beteiligung an den künftigen Grossteleskopen GREGOR und LBT darstellen. Als festlicher Ausklang sind ein kleiner Empfang der Teilnehmer und natürlich ein Besuch des Einsteinturms vorgesehen.

Interessenten können sich bei Frau Ludmilla Kurth unter (0331) 7499-464 melden.

Text: Jürgen Staude
HTML: Sophia Tölken, Potsdam, den 16.7.2004

Literatur:

Mattig, W.: "50 Jahre Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik", Sterne und Weltraum 32 H.12 (1993), 854

Mattig, W.: "Walter Grotrians fundamentale Beiträge zur Physik der Sonnenkorona", Sterne und Weltraum 38 H.6/7 (1999), 557

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